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Dr. Daniel Delhaes

4. Massenmedien und politische Kommunikation

4.1. Pressefreiheit

Die Pressefreiheit gilt als Eckpfeiler demokratischer Verfassungsstaaten. Die permanenten Versuche, die freie Meinungsäußerung zurückzudrängen kann als Ausdruck ständiger Angst der Politik (und früher auch der Kirchen) gesehen werden, ihre Autorität und damit die Möglichkeit auf Durchsetzbarkeit ihrer Ideologie zu verlieren. Zugleich ist es Ausdruck der ständigen Sorge, dass Medien einen unerwünschten Einfluss auf die Einstellungen der Bevölkerung nehmen, letztlich die Macht der Machthabenden destabilisieren.1 Zensur wird seit dem 15. Jahrhundert geübt, wenn auch die Freiheit der Presse erst mit der Aufklärung vehement gefordert wird.

Für Zensuren gibt es im Laufe der Jahrhunderte eine Vielzahl von Maßnahmen:

Die Schaffung von Zensurkommissionen,

Verzeichnisse verbotener Bücher,

Vorzensur wie Nachzensur,

Impressumspflicht zur Identifikation von Druckwerken,

Beschränkungen für Berufszulassungen,

Berufsverbote,

Untersagung bestimmter Inhalte und Aussageformen,

Beförderungs-, Verkaufs- und Erwerbsverbote von Druckwerken,

Beschränkungen der Erscheinungshäufigkeit periodischer Druckwerke,

Zeitungssteuern, Kautionszwang, erhöhte Beförderungsgebühren,

Lizenzen und anderes mehr.2


In England wird die Pressefreiheit 1694 zum ersten Mal eingeführt.3 Danach setzt sie sich auch in den Vereinigten Staaten (1776) und Frankreich (1791)4 durch und wird sogar verfassungsrechtlich verankert. In Deutschland kämpft unter anderem Karl Marx für die Pressefreiheit. Selbst als Journalist tätig, äußert er sich vielfach zur Pressefreiheit. Im Frühjahr 1842 etwa verfasst er die „Bemerkungen über die neueste preußische Zensurinstruktion“.5 Er berichtet dabei über eine Debatte zur Pressefreiheit im rheinischen Landtag. „Das Censurgesetz ist also kein Gesetz, sondern eine Polizeimaaßregel, aber sie ist selbst eine schlechte Polizeimaaßregel, denn sie erreicht nicht, was sie will, und sie will nicht, was sie erreicht.“ 6 Und weiter: „Ein Censurgesetz ist eine Unmöglichkeit, weil es nicht Vergehen, sondern Meinungen strafen will, weil es nichts anderes sein kann, als der formulierte Censor, weil kein Staat den Muth hat, in gesetzlichen allgemeinen Bestimmungen auszusprechen, was er durch das Organ des Censors faktisch ausüben kann. Darum wird die Handhabung der Censur nicht den Gerichten, sondern der Polizei überwiesen.“7 Marx sieht die Pressefreiheit als eine Art Gewerbefreiheit, da auch der Handwerker durch sein Werk die Sprache seiner Gedanken zum Ausdruck bringe.

Marx stellt in einem späteren Fall über die Auseinandersetzung mit der Pressefreiheit erste ökonomische Gedanken an und verfasst am Ende sein Werk „Zur Kritik der politischen Ökonomie“. Ausschlaggebend ist ein Artikel in der Rheinischen Zeitung, der über das Elend der Mosel-Bauern berichtete. „Der Oberpräsident [...] bezweifelte, dass die Schilderungen zuträfen und verlangte, die Anonymität des Autors aufzuheben, außerdem die Nennung konkreter Fälle, in denen die Behörden eine öffentliche Besprechung der Not der Moselbauern verhindert hätten.“8 Marx verteidigte in einer Erwiderung die Pressefreiheit, wenige Tage später wurde die Zeitung verboten.

Abbildung 1: Pressefreiheit

Marx kämpft nach der Märzrevolution mit Engels für die Republik und die Pressefreiheit. Wegen eines publizierten Artikels müssen sich beide vor Gericht verantworten. Der Vorwurf: Beamtenbeleidigung. In der Verteidigungsrede von Engels heißt es: „Kurz und gut: Sie, meine Herren Geschworenen, haben in diesem Augenblick über die Pressefreiheit in der Rheinprovinz zu entscheiden. Wenn es der Presse verboten sein soll, das, was sich unter ihren Augen ereignet, zu berichten, wenn sie bei jeder verfänglichen Tatsache erst warten soll, bis ein gerichtliches Urteil vorliegt, wenn sie bei jedem Beamten, vom Minister bis zum Gendarm, erst fragen soll, ob durch die angeführte Tatsache seine Ehre oder Delikatesse sich beleidigt fühlen könnte, ohne Rücksicht darauf, ob die Tatsachen wahr sind oder nicht; wenn die Presse in die Alternative gesetzt wird, entweder die Ereignisse zu verfälschen oder ganz zu schweigen – dann, meine Herren, hört die Pressefreiheit auf, und wenn Sie das wollen, so sprechen Sie Ihr „Schuldig“ über uns aus!“

Quelle: Engels 2001, S. 107.

Nach der Verankerung der Pressefreiheit im Grundgesetz bestätigt das Bundesverfassungsgericht in seinem Spiegel-Urteil9 die Rolle der Medien: „Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muss er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gang. [...] In ihr artikuliert sich die öffentliche Meinung [...] In der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung. Sie fasst die in der Gesellschaft und ihren Gruppen unaufhörlich sich neu bildenden Meinungen und Forderungen kritisch zusammen, stellt sie zur Erörterung und trägt sie an die handelnden Staatsorgane heran, die auf diese Weise ihre Entscheidungen in Einzelfragen ständig am Maßstab der im Volke tatsächlich vertretenen Meinungen messen können.“10

Diese idealtypische Stellung der Medien wird verfassungsrechtlich legitimiert, um Medien auch die Möglichkeit zu geben, Missstände aufzudecken. Entsprechend bedeutsam ist etwa der Informantenschutz11, der garantiert, dass Informationsquellen im Zweifelsfall nicht aufgedeckt werden müssen. Behörden unterliegen der Auskunfts- und Informationspflicht, müssen Medien also auf Anfrage Informationen zur Verfügung stellen. Der Grad an Meinungsfreiheit und –vielfalt gilt heute allgemein als Gradmesser der inneren Souveränität eines Staatswesens. Auch umfasst Pressefreiheit grundsätzlich jede Form der Publikation, sofern sie nicht andere Rechte wie etwa Persönlichkeitsrechte einschränkt. Jutta Limbach, Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, stellt hierzu fest: „Hier gilt allgemein, dass für den Begriff der Presse der Inhalt der Druckwerke unbeachtlich ist. Die früher vereinzelt vertretene Auffassung, dass nur die Publikation politisch-kulturell-weltanschaulicher Nachrichten und Stellungnahmen sowie die sonstige sachliche Berichterstattung der Pressefreiheit teilhaftig werde, hat keine Gefolgschaft gefunden.“12

1991 hat die UNO-Generalversammlung den Internationalen Tag der Pressefreiheit auf Vorschlag der UNESCO ausgerufen. Diese Initiative erfolgte auf Grundlage der „Erklärung von Windhoek“13, nach der freie, pluralistische und unabhängige Medien ein wesentlicher Bestandteil jeder demokratischen Gesellschaft sind. Zensur gilt als schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte. Die Erklärung fordert Verfassungsgarantien für die Presse- und Versammlungsfreiheit, setzt sich für die Gründung unabhängiger Verleger-Verbände und Journalisten-Gewerkschaften ein und plädiert für eine internationale Unterstützung bei der Schaffung unabhängiger Medien, der Journalistenausbildung und Unternehmensführung. Jeder Journalist soll die Möglichkeit haben, frei und ohne Angst zu berichten.

Dennoch bleibt die Pressefreiheit umkämpft. Noch 1994 schränkte der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine per Gesetz die Pressefreiheit im ein, in dem Gegendarstellungen von der einzigen Zeitung im Saarland, der Saarbrücker Zeitung, ohne jede Möglichkeit zur Kommentierung abgedruckt werden mussten. Lafontaine war immer wieder Berichten aus seinem Privatleben ausgesetzt gewesen, von einer „Rotlicht-Affäre“ bis hin zu Beiträgen über seine Pensionsbezüge aus seiner Tätigkeit als Oberbürgermeister von Saarbrücken. Zeitungsverleger und Verbände hatten die Beschränkung der Pressefreiheit scharf kritisiert und sogar das Bundesverfassungsgericht angerufen. 1999, nachdem die CDU die Landesregierung übernommen hatte, wurde das Pressegesetz revidiert. Der neue Ministerpräsident Peter Müller bezeichnete das „Lex Lafontaine“ als „Bevormundungsklauseln“.14